Ein Mann lehnt an einer Küchenzeile und blickt konzentriert auf sein Smartphone.

Möglichkeiten des
langfristigen Vermögensaufbaus –
eine dreiteilige Serie

Teil 3: Psychologische Fallen
 und hilfreiche „Hacks“

Warum stehen wir uns beim Vermögensaufbau oft selbst im Weg, obwohl die Theorie des Vermögensaufbaus eigentlich einfach klingt? Ein Ansatz der Verhaltensökonomie (Behavioral Finance) dazu lautet: „Der größte Feind des Anlegers sei oft nicht der Markt.“

Vielmehr sei unser Gehirn evolutionär bedingt, auf kurzfristige Entscheidungen programmiert (Flucht oder Kampf), nicht auf Langfristigkeit. Das erschwere es uns, unser Vermögen aus einem natürlichen Verhalten systematisch aufzubauen.

A) Von der Prospect Theory bis zur Selbstüberschätzung 

Die Verlustaversion

„Verluste schmerzen doppelt so stark, wie Gewinne erfreuen.“ Wenn unser Depot um 1.000 € fällt, fühlen wir uns emotional deutlich schlechter, als wir uns bei einem Gewinn von 1.000 € gut fühlen. Das ist der Klassiker der Prospect Theory (vgl. Kahneman, Daniel & Tversky, Amos (1979) „Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk“ – Econometrica, 47(2), 263-291)

Aus Angst vor möglichen oder auch weiteren Verlusten verkaufen Anleger häufig genau dann, wenn die Kurse am Boden sind. So werden Verluste dann auch tatsächlich realisiert – die bis zu dem Moment vor dem tatsächlichen Verkauf ja „nur“ buchhalterische Verluste waren – da die Chance auf eine mögliche und langfristige Erholung nicht mehr in Betracht gezogen wird.

Hier sollte man versuchen, besonnen bleiben. Das persönliche Risikomanagement sollte immer Teil der eigenen Anlagestrategie sein und nicht während, sondern vor einem Crash oder größeren Korrektur entwickelt werden. Außerdem kann es ratsam sein, Nachrichten in Krisenzeiten zu vermeiden. Die sogenannte Vogel-Strauß-Taktik kann hier tatsächlich mehr helfen, als sich von jeder Nachricht verunsichern zu lassen.

Die Gedächtnisverzerrung (Rezenzeffekt)

Wir gewichten Ereignisse, die gerade erst passiert sind, stärker als die Vergangenheit: Wenn die Börse seit Monaten steigt, glauben wir, es geht ewig so weiter (Gier/FOMO) und kaufen Wertpapiere eventuell zu teuer nach. Wenn es kracht, projizieren wir einen Crash oder Korrektur in die Ewigkeit und trauen uns nicht mehr zu investieren. Wir fahren also „auf Sicht“ statt nach Karte.

Ein Grund, warum viele Privatanleger prozyklisch handeln (teuer kaufen, billig verkaufen). Ein Blick auf einen 20-Jahres-Chart des Weltmarktes könnte in dem Moment helfen: Börsenkrisen bzw. Marktkorrekturen sind vergleichsweise kleine Dellen im langfristigen Aufwärtstrend fundamental starker Börsenindizes.

Das Gras des Nachbarn ist immer grüner

Wenn der Kollege oder Nachbar mit (möglichen) Gewinnen aus Krypto-Währungen oder einer Hype-Aktie prahlt, wirkt die eigene Anlage ggf. plötzlich zu langsam. Der Rendite-Vergleich kann zu Neid führen oder sogar einen Impuls zum Herdentrieb, also Nachmachen, erzeugen.

Jetzt nur nicht die eigene Strategie über Bord werden, um vermeintlich „schnell reich“ zu werden! Aus dieser Motivation heraus ggf. die eigene Risikoschwelle zu erhöhen, ist in der Regel keine gute Idee, da Markthypes eventuell schon unlängst ihren Höhepunkt erreicht haben.

Der langfristige Vermögensaufbau braucht genau in diesen Momenten Disziplin. Vergleiche bei Bedarf dazu auch noch mal den ersten Teil unserer Serie „Langfristiger Vermögensaufbau“.

Der Aktions-Bias

Häufig sind wir auf den „Aktions“-Modus konditioniert „Wer etwas erreichen will, muss handeln.“ Nichts zu tun, fühlt sich mitunter faul oder falsch an. Ähnlich wie Torhüter beim Elfmeter, die fast immer springen, obwohl in der Mitte zu bleiben statistisch oft besser wäre (Michael Bar-Eli et al. (2007); „Action Bias Among Elite Soccer Goalkeepers).

Ein Börsensprichwort sagt „Hin und her macht Taschen leer“. Soll heißen, ein übertriebener Aktionismus (Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren) führt meistens zu Verlusten.

Beim Vermögensaufbau sollte man ruhig bleiben und in Krisen erst nach sorgfältiger Analyse und fortlaufender Berücksichtigung der eigenen Risikotragfähigkeit handeln.

Die Selbstüberschätzung

Die meisten Menschen halten sich für überdurchschnittlich gute Autofahrer – und für überdurchschnittlich schlaue Anleger. Vor allem wenn der Verkehr fließt bzw. die Märkte einen langen Aufwärtstrend hinter sich haben. Doch wir alle wissen, dass eine „grüne Welle“ und „freie Überholspur“ nicht die Standard-Verkehrssituation darstellt.

Es ist besser, sich langfristig an der üblichen Jahresrendite der Weltmärkte zu orientieren. Und neben der Rendite auch immer wieder zu prüfen, ob langfristig weiterhin die eigenen Beiträge zur geplanten Vermögensbildung ausreichend vorhanden sind.

B) „Kniffe“ zum Dranbleiben 

Das Bewusstsein um psychologische Fallen ist das eine – feste Routinen können helfen, um der eigenen Anlagestrategie treu zu bleiben und durchzuhalten.

Die „Geldanlage-Treppe“

Die langfristige Anlagestrategie lebt u. a. davon, ungeplante Entnahmen möglichst zu vermeiden. Dazu kann die Verwendung von drei Konten mit unterschiedlichen Zwecken unterstützen, den Überblick zu behalten:

  • Girokonto: Hier finden die alltäglichen und monatlichen Einnahmen und Ausgaben statt. Ein (digitales) Haushaltsbuch kann für noch mehr Transparenz sorgen.
  • Tagesgeldkonto: Für kurzfristige Sicherheitsreserven, mit zum Beispiel 3 bis 6 Nettomonatsgehälter. Diese Stufe kann unerwartete Ausgaben wie Autoreparaturen oder eine defekte Waschmaschine etc. bedienen.
  • Wertpapier-Depot: Dient zur langfristigen Vermögensbildung und sollte im Prinzip bis auf weiteres unberührt bleiben.

Auf dies Weise kann die Versuchung besser kontrolliert werden, die eigenen Wertpapiere nicht für kurzfristige Wünsche oder Spontankäufe zu nutzen und um somit das langfristig angelegte Kapital nicht zum ggf. falschen Zeitpunkt aufzulösen.

Impulskontrolle: Sparen statt ausgeben

Drei einfache und wirkungsvolle “Sparen-statt-Ausgaben”-Ansätze:

  • Aus den Augen – aus dem Sinn: Ein regelmäßiger Wertpapiersparplan kann helfen, den dafür erforderlichen Betrag auf dem Girokonto für sich gedanklich als feste Ausgabe zu kategorisieren. D.h. das Geld ist fest verplant und steht nicht für Konsumausgaben zur Verfügung. Und wenn der Sparplan-Einzahlungsintervall zum Monatsanfang bzw. an die Gehaltseinzahlung gekoppelt wird, ist es auch gleich „weg“.
  • Warren Buffets „Gönner-Regel“: Gönnen ist erlaubt! Das Leben soll Spaß machen. Doch für größere Selbstbelohnungen, die dann dem Vermögensaufbau nicht mehr zur Verfügung stehen, gibt es eine einfache Regel, die dem berühmten Investor Warren Buffet zugeschrieben wird: Bevor Sie sich etwas Größeres gönnen, verpflichten Sie sich selbst, den doppelten Betrag dafür anzusparen.

    Der Impuls von Spontankäufen kann so reduziert werden, weil der jetzt doppelte Sparbetrag zu hoch wird, und der Spontanität so entgegenwirken kann. Wenn man es schafft, verdoppelt sich jedoch auch die Belohnung – zum Kauf kommt im besten Fall auch die zusätzlich erreichte Vermögensbildung.

    Der Mechanismus kann gut bei unerwarteten Einnahmen wie Bonuszahlungen, Weihnachts-/­Urlaubsgeld oder einer Steuerrückzahlung verwendet werden – also dann, wenn die Versuchung zu Spontankäufen besonders hoch ist.

  • Emotionale und bildliche Ziele: Die abstrakte Absicht, "etwas für später zurückzulegen", ist psychologisch schwächer als für ein klares Ziel zu sparen. Den Grund für die eigene Vermögensbildung konkret und bildlich zu machen, kann also helfen. In dem Wissen, dass der heutige Konsumverzicht in fünf Jahren ein neues Auto, eine Traumreise, eine Auszeit oder das Studium für das Enkelkind sein soll, kann die passende Motivation und Bereitschaft zur Disziplin schaffen. Selbst gesteckte (Anlage)ziele emotional positiv aufzuladen kann helfen, durchzuhalten.

Automatisierung

Was automatisch läuft, daran muss man mindestens weniger selbst denken und kann aber vor allem nicht spontan durch Emotionen beeinflusst werden. Das können sich Anleger wie folgt zu Nutze machen:

  • Regelmäßige Sparpläne: Mit einem ETF- oder Fondssparplan, bei dem der Ausführungstermin zum Beispiel fix zum Gehaltseingang erfolgt.
  • Überschuss-Übertrag am Monatsende: Überschuss-Beträge am Monatsende (automatisch) vom Giro- auf ein Tagesgeldkonto oder Depot übertragen.
  • Konto-Alarme setzen: Warnungen bei zu wenig Guthaben auf dem Girokonto können Engpässe verhindern und trainieren die eigene Ausgabendisziplin. Aber auch den Notgroschen zu begrenzen (in unserem Beispiel zuvor auf dem Tagesgeldkonto) und den möglichen Überschuss in die langfristige Wertpapieranlage zu überführen, kann sich beim Erreichen des persönlichen Anlagesziels positiv auswirken.
  • Risikoadjustierung (Rebalancing): Damit die Geldanlage Ausdruck der eigenen Risikoneigung bleibt, sollte regelmäßig die Werte der im Portfolio vorhandenen Wertpapiere geprüft werden. Vergleiche dazu auch das Praxisbeispiel aus Teil 2 unserer Serie – Robo-Advisor können diese Aufgabe sehr gut steuern.
  • Entnahmepläne für die Zukunft: Die Geldanlage soll in absehbarer Zukunft aufgelöst werden (z. B. für den Ruhestand)? Hier kann ein Entnahmeplan helfen, Wertpapiere zu festgelegten Terminen automatisch zu verkaufen – ggf. auch gekoppelt an einen Stoploss (umgekehrter Sparplan).

C) Mindset des Vermögensaufbaus entwickeln 

Setz dich nicht unter Druck, sondern gib deinem Geldanlage-Mindset Zeit zu wachsen:

Die Macht der kleinen Schritte: Der heute früh angelegte Euro (auch kleinere Beträge) kann durch den Zinseszinseffekt statistisch der wertvollste sein, da er die längste Zeit hat, sich auf die Wertanlage entsprechend auszuwirken. Lies dazu auch unsere Artikel „Private Anleger – Deutschland holt auf“ sowie „Den Kindern soll es mal besser gehen“.

Regelmäßige Sparbeiträge schaffen außerdem eine Gewohnheit. Die Vermögensbildung kann sich als Routine etablieren – im Prinzip genau wie das tägliche Zähneputzen.

Langfristig kann sich diszipliniertes Sparen dann nicht mehr anstrengend oder als Bürde anfühlen, sondern wie ein liebgewonnenes Hobby.


Viel Erfolg wünscht dir deine cominvest Redaktion

Hier geht's zu den zwei anderen Teilen unserer Serie:

Langfristig Vermögen aufbauen (Teil 1)